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Der Gewaltkonflikt im Tollensetal

Liegt das älteste bekannte „Schlachtfeld“ Europas im Tollensetal? Auf jeden Fall fand hier ein großer Gewaltkonflikt statt, der erste dieser Größenordnung, der sich in Europa archäologisch nachweisen lässt. Die Hintergründe dieses Konfliktes aufzuklären, ist eine Langzeitaufgabe für die archäologische Forschung.

Schon lange vor dem Gewaltkonflikt im Tollensetal gab es Gewalt zwischen Einzelpersonen und kleinere Gruppenkonflikte. In der mittleren Steinzeit war es nicht ungewöhnlich, dass Nachbarn einander überfielen. Als die Menschen in der jüngeren Steinzeit sesshaft wurden, begannen sie, sich gegenseitig Vieh und Vorräte zu rauben. Aber keiner dieser Konflikte erreichte das Ausmaß des bronzezeitlichen Kampfes im Tollensetal.

Heute wissen wir, dass sich die archäologischen Fundstellen über rund 3,5 km entlang der Tollense erstrecken. Kleinere und größere Ausgrabungen, systematische Fundaufsammlungen sowohl an Land als auch unter Wasser sowie einige Zufallsfunde haben zu dieser Erkenntnis geführt. Das „Schlachtfeld“ ist damit viel größer, als man es sich zu Anfang vorstellen konnte.

Die-Schlacht-im-Tollensetal-Fundschicht
Foto: G. Lidke, NLD

Ein Teil der Fundschicht liegt auf der bronzezeitlichen Oberfläche, ein Teil im bronzezeitlichen Flussbett. Trotz der Jahrtausende, die seit dem großen Kampf vergangen sind, blieben die Knochen gut erhalten. Grund dafür ist, dass sie vom Moor und vom Wasser luftdicht umschlossen waren. Hätte das Moor die bronzezeitliche Oberfläche nicht überdeckt, würden wir heute nur die Knochen aus dem Fluss kennen. Warum das Moor nach dem Kampf so schnell wuchs, wissen wir (noch) nicht genau, aber fest steht, dass es ein echter Glücksfall für die Archäologie war.

Mehr als 10.000 menschliche Knochen wurden inzwischen geborgen und genauestens unter die Lupe genommen.

Die-Schlacht-im-Tollensetal-Denkmalpflege
Foto: Landesamt für Kultur und Denkmalpflege M-V/Landesarchäologie

Anhand verschiedener Merkmale – besonders am Schädel und Becken – lässt sich feststellen, dass die Knochen fast ausschließlich von Männern stammen. Die Abnutzungsspuren an Zähnen, Gelenken und der Wirbelsäule sind typisch für ein Alter zwischen 20 und 40 Jahren.

Einige Männer hatten bereits vor ihrem Tod Knochenbrüche und Blessuren überstanden. Waren sie bereits früher an Kämpfen beteiligt? Eher nicht, denn die meisten verheilten Verletzungen sind „Alltagsverletzungen“. Nur einige Pfeiltreffer oder Keulenschläge sind als Spuren früherer Angriffe zu verstehen.

Die-Schlacht-im-Tollensetal-14C-Methode
Foto: V. Minkus für das Tollensetal-Projekt

Wie die Menschen im Tollensetal starben, zeigen zahlreiche unverheilte Verletzungen, die auf ein vielfältiges Waffenspektrum und unterschiedliche Kampfesweisen hindeuten. Als Distanzwaffe kamen Pfeil und Bogen zum Einsatz. Die Pfeilspitzen stecken noch im Knochen oder haben ihre Spuren im Knochen hinterlassen. Vom Nahkampf zeugen Schnitt- und Hiebspuren, die von Beilen, Schwertern oder Dolchen stammen können. Außerdem sind an einigen Schädeln Spuren stumpfer Gewalt, wie von Holzkeulen, erkennbar.

Der Gewaltkonflikt im Tollensetal läßt sich mit der 14C-Methode ziemlich genau in die Zeit um 1250 v. Chr. datieren. Hochrechnungen zeigen, dass mehrere hundert Menschen an dem Konflikt beteiligt gewesen sein könnten.